STRATEGISCHE UND TAKTISCHE OPTIONEN Kapitel II

STRATEGISCHE UND TAKTISCHE OPTIONEN FÜR DAS FUNDAMENTAL-OPPOSITIONELLE LAGER DER AFD

Ist-Analyse – Maßnahmenkatalog

November – Dezember 2016

Kapitel II: Parlamentarischer Gestaltungsspielraum

Die Möglichkeiten der parlamentarischen Mitarbeit zur Interessenwahrnehmung einer politischen Bewegung, die den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Umbruch anvisiert, sollten situationsabhängig auf ihren Sinn hinterfragt und auf ihre Wirksamkeit hin dauerhaft kontrolliert werden. Bei dieser Kontrolle wird es schwerpunktmäßig um die Frage gehen, ob sich parlamentarische Mitarbeit politisch wirklich auszahlt oder nicht.

Der parlamentarische Flügel einer auf politischen Umbruch zielenden Bewegung kann dieser Bewegung ein gewisses Maß an Unterstützung gewähren. Ohne diese Bewegung im Hintergrund wäre der parlamentarische Flügel jedoch wirkungslos, wenn nicht sogar systemstabilisierend. Nur aufgrund flächendeckender Aktivitäten auf sämtlichen metapolitischen Ebenen kann ein Druck erzeugt werden, welcher die Parlamentarier des eigenen Lagers kontinuierlich ermahnt, radikal zu agieren und sich vor Korrumpierung zu hüten.

Parlamentarische Mitwirkung erlaubt einer neuen Partei zwar keine Machtausübung, aber eine begrenzte Machtkontrolle.

Die parlamentarische Arbeit künftiger AfD-Abgeordneter wird sich hauptsächlich auf folgende Möglichkeiten konzentrieren:

  • Direkter Einfluß auf die Kontrolle der Regierung –
    d. h. in Fragestunden provozieren, um die öffentliche Auseinandersetzung polarisierend zu unterstützen, etc.
  • Informationsgewinnung und Transparenz durch Mitarbeit in Ausschüssen –
    d. h. überprüfbares Zahlenmaterial einsetzen für detaillierte Kritik an Haushalt / Gesetzgebung / Steuerverschwendung / Finanzsektor / Geheimdienste / Untersuchungsausschüsse / etc.
  • Arbeitsplätze für Parteimitglieder –
    d. h. qualifizierte Tätigkeiten im Umfeld der Parlamentarier (Stiftungen) erlauben eine Stabilisierung interner Parteistrukturen.
  • Parlament als Plattform für Öffentlichkeitsarbeit –
    d. h. verbesserte Möglichkeiten der Informationsverbreitung.

Bei verständlich parlamentarischer Sehnsucht darf nie in Vergessenheit geraten, daß die parlamentarische Arbeit nur geringe Auswirkungen auf die politischen Verhältnisse haben wird. In der Praxis werden Gesetze durchgewunken, Öffentlichkeitsarbeit landet in der Schweigespirale, Ausschüsse werden ausgetrickst, richtungsweisende Konzepte von Lobby-Gruppen vorgegeben – der „tiefe Staat” läßt nur geringe Änderungen zu.

Die ökonomische Verschlechterung der Berufstätigen im Mittelstand, der sich verengende Spielraum für Umverteilung, zusammen mit der katastrophalen Sicherheitslage im urbanen Alltag der deutschen Bevölkerung, zunehmend auch im ländlichen Raum, lassen sich durch parlamentarische Mitarbeit nur gering beeinflussen.

Ohne ausreichend Druck einer dahinterstehenden Bewegung bleiben parlamentarische Aktivitäten unverbindlich, wenn auch für den einzelnen Abgeordneten lukrativ.

Modelle für das Zusammenspiel von Parlamentariern und außerparlamentarischer Opposition finden sich im 20. Jahrhundert u. a. bei den irischen Befreiungskämpfen gegen die englische Besatzungsmacht. Bei beiden Kriegsparteien kann man studieren, was der parlamentarische Arm einer Bewegung ausrichten kann und was nicht.

Den positiven Effekten einer parlamentarischen Opposition steht eine prinzipielle Gefahr gegenüber: Der Wunsch nach Koalitionsfähigkeit. Das Ausmaß an Korrumpierbarkeit jener Mandatsträger, die als strategisches Ziel eine Koalition verkünden, läßt sich jedoch im Vorfeld einer Wahl erahnen. Bleiben deren Aussagen über eine angestrebte Regierungsbeteiligung unwidersprochen, ist aus oppositioneller Sicht nur eine Scheinalternative zu erwarten.

Zu behaupten, ein Haufen weichgespülter, machtsüchtiger oder Karriere fixierter Abgeordneter würde nach gewonnener Wahl in einen kühnen und effektiven Kampfverband gegen die politische Klasse mutieren, ist weltfremd oder eine taktische Lüge.

Gehören die Führungskader einer Partei mehrheitlich dem Lager der Reformer und Befürwortern der politischen Korrektheit an, wird die darauf folgende Legislaturperiode für das fundamental-oppositionelle Lager zu einem masochistischen Alptraum.

Der Typus anpassungswilliger Abgeordneter, schlimmstenfalls in Fraktionsstärke, wäre der zusätzliche politische Gegner im Parlament. Diese Fraktion wird dann – mit Steuergeldern ausgestattet – die Säuberung der AfD im Sinne der Nomenklatura durchpeitschen, ohne daß die Parteibasis wirkungsvoll eingreifen kann. Als „nützliche Idioten” werden diese untereinander „harmonierenden” Funktionäre die Einhaltung von Denk- und Sprechverboten überwachen und als vernunftgemäße politische Praxis propagieren.

Eine fünfte Kolonne intra muros erzwang schon die Kapitulation von Toledo und wird auch im Berliner Reichstag dafür sorgen, das widerständige Milieu kurz zu halten.